Andreas Hoffmann

Ein Thüringer aus der Fürstenstadt Rudolstadt schreibt Geschichte(n).

Lyrische Miniaturen

Von Zeit zu Zeit werde ich hier Gedichte und Textminiaturen veröffentlichen. Vorerst dreht es sich hier alles um die „böhmischen Dörfer“.

Kirchhügel von Alt-Rognitz

Auf dem Kirchhügel von Alt-Rognitz
stehen sich vergessene Wörter gegenüber.
Die einen bleiben als Kirche,
für kurze Zeit im Kerzenlicht betrachtet,
vertont,
ihre Erinnerung gefeiert.
Die anderen, Ruine geworden,
vom Vergessen zugewachsen.
Beide, nur einen Blick weit auseinander –
Und doch verschieden, wie nur
Sprache es sein kann.
In manchen Nächten aber
tauschen sie ihre Plätze,
verbinden Hoffnung mit dem neuen Namen,
Starý Rokytník.

Frühling in der Kirche von Alt-Rognitz/Starý Rokytník

Es ist Mai des Jahres 2020. Es ist warm und die Sonne lässt hoffen. Eine Gruppe von Menschen aus der Region säubern die alte Kirche von Starý Rokytník, deutsch Alt-Rognitz. Seit Jahrhunderten steht das Gebäude auf dem Hügel über dem Dorf, ist den Heiligen Aposteln Simon und Juda geweiht.

In den letzten Jahrzehnten blieb sie im Dornröschenschlaf. Die alten Grabsteine auf ihrem Friedhof, sollten Wache halten, schliefen aber auch. Manchmal kamen Besucher zu den Schlafenden, staunten, zündeten eine Kerze an, fotografierten. Sie fanden einen guten Ort zum Erinnern, Nachdenken, stille werden vor.

Da liegt der Tod längst vergangener Zeiten, die Krankheiten und Trauer – auch über den Sohn, der im brutalen Krieg starb. Von Vaterland sprachen die Verführer. Diese Heuchelei machte vor dem Friedhof nicht halt, nicht vor dem Leben in Alt-Rognitz.

Es ist Frühling und die alte Kirche erwacht, reibt sich die Augen. Was ist passiert? Sie sieht die fröhlichen Leute, die ihr beim Waschen, Kämmen, neu Einkleiden helfen. Bilder sind aus den Altarrahmen gefallen, Manches ist in den letzten Jahren verschwunden, doch die Hoffnung macht stark.

Wenn man genau hinschaut, ist die Freude über das Erwachen in den Gesichtern der Heiligen und Engel zu erkennen. Und diese Freude springt auf die Gesichter der fleißigen Leute über, die gekommen sind, um sie zu putzen und zu entstauben.

Alter Friedhof

Auf dem Friedhof in Alt-Rognitz
Ist den Gräbern der Tod genommen.
Sie dürfen bleiben,
können leuchten,
sprechen,
antworten,
schweigen.
Und wenn sie wollen,
an Ewigkeit denken.